Es ist mal wieder soweit: Im Windschatten der Terror-Anschläge von Wien im November diesen Jahres liessen die Geheimdienste in Europa keine Zeit verstreichen um mal wieder die Debatte um Verschlüsselung, respektive die Umgehung derselben für staatliche Dienste, neu anzuschieben.

Wie Heise unter https://www.heise.de/hintergrund/EU-Regierungen-planen-Verbot-sicherer-Verschluesselung-4951415.html berichtet wurde innerhalb kürzester Zeit ein allumfassendes Paket geschnürt, um hier den Weg für eine Stasi 3.0 zu ebnen.

Erstaunlich flink für eine sonst eher gemächliche (um nicht zu schreiben: lahmarschige) Bürokratie.

Wenn es um die Ausweitung eigener Interessen und Befugnisse geht kommt plötzlich Bewegung in diese gerontologischen Strukturen.

Wenn nur ein Bruchteil des hier gezeigten Elans in die Erfüllung der eigentlichen Aufgaben gesteckt würde wäre dieser Artikel nie erschienen.

Stasi 3.0, weil die Geheimdienste in der Vergangenheit noch ihren Allerwertesten aus dem Sessel heben mussten um nachrichtendienstliche Assets zu generieren.

Aber man geht ja mit der Zeit.

Da es offensichtlich zu mühsam (im Winter zu kalt, im Sommer zu warm – und zu den anderen Jahreszeiten schlicht zu anstrengend (mimimimi)) ist, die Daten selbst zu beschaffen muss man halt einen Weg finden, wie die Daten (ganz analog zu den gebratenen Tauben) selbständig zu einem kommen. Quasi auf Knopfdruck.

A propos “Analog”: Das ist dann ungefähr auch der Sicherheits-Standard der nach einer allfälligen Einführung dieser Begehrlichkeiten im Bezug auf Abhörsicherheit übrig bliebe: Der Standard einer analogen zweidraht Überland-Telefonleitung.

Ein solches Gesetz würde es jeder Person welche im Besitz des Schlüssels ist erlauben, sämtliche Kommunikation in Echtzeit und ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen mitzulesen.

Die perfekte Definition von “Man in the Middle”.

Natürlich: Terroranschläge sind weder erstrebenswert noch entschuldbar.

Die Gesamtbevölkerung eines ganzen Kontinents aber quasi mit nacktem Hintern in den Schnee zu setzen weil einige wenige den zuständigen Stellen zudem in exakt diesem Kontext als “Gefährder” bekannte Individuen terroristische Aktivitäten planen / durchführen geht weder vor dem Hintergrund einer Verhältnismässigkeit noch unter dem Vorwand, die Demokratie zu schützen.

Genau so gut könnte man den Eiffelturm sprengen – damit er nicht von einem Terrorkommando zerstört werden kann.

Oder man verbietet den Besitz von (tragbaren) Bohrmaschinen weil sich in Berlin eine Gruppe von Bankräubern mit Hilfe solcher Geräte in eine Bank gegraben hat.

Zu aller erst sollte man hier eher mal herauszufinden versuchen, wieso die österreichischen Behörden auf diverse Warnungen ausländischer Geheimdienste nicht reagiert haben.

Die Informationen waren ganz offensichtlich vorhanden – man hat es schlichtweg “verschlafen” etwas zu unternehmen (oder: billigend in Kauf genommen, dass etwas passiert).

Auf (unter Anderem) https://www.rfi.fr/en/europe/20201105-austria-acknowledges-security-failings-over-vienna-terror-killings ist zu lesen:

“Austrian Interior Minister Karl Nehammer said intelligence services had received a warning from neighbouring Slovakia that the assailant had tried to buy ammunition, but that “a failure of communication” had followed.”

Gleiches Muster auch beim Weihnnachtsmarkt-Anschlag vor ein paar Jahren in Berlin: Die Täter waren den zuständigen Behörden (wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte) sehr wohl – unter einschlägigem Kontext – mit Vor- und Nachnamen – bekannt.

Auch damals wurde sofort der Ruf nach einer massiven Erweiterung der Befugnisse dieser Dienste laut.

In beiden Fällen wurde das verpasste vorzeitige Eingreifen als “Kommunikationspanne” “entschuldigt”.

Womit wir exakt beim Stichwort wären: Exakt die Behörden, welche eine auffällige Häufung solcher Kommunikations-“Pannen” an den Tag legen wollen mehr Einsicht in die Kommunikation von millionen Personen bekommen.

Exakt diese Behörden möchten (weil sie das mit der Kommunikation ja nicht im Griff haben) das Recht und die Möglichkeit, einen Generalschlüssel für sämtliche digital verschlüsselte Kommunikation haben.

Klingt komisch? Is’ aber so…

Eines muss ebenfalls jedem klar sein: Sofern ein solches Gesetz durch kommen sollte wird die unmittelbare Folge davon eine massive Aufstockung des “Horch- und Guck”-Personals sein, da “[..] die Datenmenge sonst nicht mehr bewerkstelligt werden könnte”.

So langsam bin ich verhalten versucht zu glauben: Den Diensten kam ein solcher Anschlag nicht ungelegen um wieder einmal die gleiche Sau durchs Dorf zu treiben.

Im Ernst: Aufhören, es reicht!

Ganz grundsätzlich: Ein Staat oder eine Organisation, der/die so dilettantisch mit den ihnen anvertrauten Assets umgeht und so schlecht darin ist, ihm zugetragene Informationen zu verwerten würde von mir nichtmal den Schlüssel zu meinem Fahrradkeller anvertraut bekommen. Auch wenn dort nichtmal ein Fahrrad drin stehen würde.

Und ausgerechnet DIESE Behörden möchten einen General-Schlüssel für ganz Europa?

In Zeiten, wo Nachrichtendienste diverser (sogenannt demokratischer) EU-Mitgliedsstaaten (ich erwähne hier mal explizit Polen und Ungarn) immer repressiver gegen Oppositionelle vorgehen ein fatales Zeichen.

Sofern dieses Gesetzt durch kommen sollte wäre dies mindestens eine krachende Kapitulation vor genau diesen, demokratischen Abläufen zumindest sehr skeptisch eingestellten, Leuten.

Schlimmer noch: Indem man diesen Leuten ein Werkzeug mit der Sprengkraft einer Atombombe in die Hand gibt legitimiert man deren Verhalten sogar noch.

Ausserdem traue ich diesen Staaten zu, den sogenannten Generalschlüssel nicht nur für eigene Belange zu verwenden. Es wird eine Frage der Zeit sein, bis dieser Schlüssel auch in die Hände von deren Freunden (z.B. Russland, China, der Türkei, etc.) gelangen wird.

Ob mit Absicht oder aufgrund von (bereits mehrfach demonstriertem) Dilettantismus spielt dabei weder aus technischer noch aus Sicht möglicher Konsequenzen für diverse Personen keine Rolle.

Ich will es ganz deutsch und deutlich formulieren: Diese Begehrlichkeiten der Nachrichten- und Polizeidienste sind nichts anders als faschistoide, feuchte Träume gewisser Bürokraten welche von sich meinen, “die guten” zu sein und divergierende Meinungen nicht akzeptieren (oder sogar: bestrafen) zu müssen.

Zumindest gibt man diesen Personenkreisen damit exakt die Mittel in die Hand, divergierende Meinungen, fernab jeglicher eventuell essentieller syntaktischer oder semantischer Zusammenhänge, nach Belieben und ohne Wissen des “zu Überwachten Objekts” zu seinem Nachteil einzusetzen.

Das kann man auch mit “Demokratieverständnis eines toten Regenwurms” umschreiben.

Wie wäre es eigentlich, wenn die einzelnen Nachrichtendienste (und Behörden) zur Abwechslung einfach mal das machen würden wozu sie geschaffen wurden? Unter Einhaltung geltender Rechtsgrundlagen? Klingt komisch, wäre aber mal einen Versuch wert, wie ich finde.

Im Klartext: Jeder Parlamentarier der hier nicht massiv und unverzüglich auf die Barrikaden geht ist ein Mitläufer und handelt nicht im Sinne seiner Wähler sondern hängt aus irgendwelchen Gründen faschistoiden Wunschträumen aus der Zeit vor 1945 nach.

Spätestens seit George Orwell’s “1984” (das war übrigens nicht als Anleitung sondern als Abschreckung gedacht) sind die Konsequenzen einer möglichen Totalüberwachung bekannt.

In China sind die ersten, noch relativ zarten, Auswüchse bereits zu sehen. Andere Staaten träumen von derartigen Zuständen, sind (gott sei Dank) aber technologisch noch nicht ganz so weit, wobei letzteres nur eine Frage der Zeit sowie eines willfähigen Partner-Geheimdienstes sein dürfte.

Auch auf anderer Ebene wurde lange genug und oft genug über die Konsequenzen solcher Handlungen und Befugnisse debattiert.

Es wurden genügend Fakten präsentiert. Es kann wirklich niemand der hier involviert ist behaupten, dass er die Folgen eines solchen Gesetzes nicht kennen würde.

Ich für meinen Teil würde eine darauf basierende Entschuldigung nie im Leben akzeptieren.

Offensichtlich haben die Parlamentarier aus den vergangenen Fichen-, Crypto-, Spitzel- und weiteren Skandalen nichts gelernt. Offensichtlich hat man auch nichts aus den NSA-Skandalen der Vergangenheit gelernt. Ach Moment, die Amerikaner sind ja “unsere Freunde”… und “Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht” (Zitat: Angela Merkel, 2013)

Ganz klare Aussage von mir zu diesem Thema: Wenn die Amis deren Freunde sind – ich als Steuerzahler aber nicht, dann ist hier was faul in diesem Staate “Neuland“.

Wenn man etwas gegen Terrorismus machen möchte sollte man mal eher (wie hier recht schön dokumentiert: https://www.arte.tv/de/videos/088462-000-A/das-geschaeft-mit-dem-terror/) darüber nachdenken, wie solche Terroranschläge aktuell überhaupt finanziert werden – und die Verantwortlichen entsprechend zur Rechenschaft ziehen.

Was die Dienste hier machen kann man nur so definieren: Das Unterstützen und Finanzieren von kriminellen Vereinigungen. Ist übrigens ein Offizialdelikt. Ja, liebe Staatsanwälte: Auch Euch würde etwas mehr Bewegung in solchen Dingen nicht schaden.

Wer sich entsprechend gegen dieses Gesetz engagieren möchte: HIER geht es zu es einer ensprechenden Petition.

P.S: Nur zur Info an die oben genannten Staatsanwälte: Sofern die heute geltenden Gesetzesgrundlagen nicht dahingehend geändert werden dass ein Beklagter in Zukunft seine Unschuld beweisen muss: Sämtliche forensischen Erkenntnisse welche auf beschlagnahmten Computern zu Tage gefördert werden dürften aufgrund dieses Gesetzes nicht mehr verwertbar sein weil ein entsprechender Nachweis, dass die Daten nicht nachträglich manipuliert wurden, nicht mehr erbracht werden kann. Solche Dinge zu verhindern wäre auch in Eurem Interesse.